Sitzung des technischen Ausschusses (TA) am 06. 03. 2023

Wieder Ausnahmen für die Kreisbau

Manchmal verdichten sich die Dinge, deshalb ist hier nicht nur die Haushaltsrede von Christel Halm zu kommentieren (siehe meinen Meinungsartikel), sondern auch kurz über die Sitzung des TA zu berichten, um diesen Blog einigermaßen uptodate zu halten. Wieder einmal standen die Gebäude der Kreisbau GmbH zur Debatte:

Schon in seiner Sitzung vom 22. 09. 2022 hatte der TA über Ausnahmen zu befinden – wegen Überschreitung der vom Bebauungsplan vorgegebenen Grenzen, hier Fluchttreppen und ein Vordach. Jetzt schon wieder – und das ist nicht nur nach meiner Meinung eine hochqualifizierte Blamage für die Gemeindeverwaltung und ihre sonst in puncto Großmäuligkeit nicht gerade verlegene Bauabteilung. Es ist nämlich ernst. Es geht darum, dass bei der Berechnung der GRZ (Grundflächenzahl, sie gibt an, welche Fläche des jeweiligen Grundstücks bebaut werden darf) Tiefgaragen und Zufahrten zu berücksichtigen sind. Ich kann Ihnen das Problem nicht besser oder kürzer schildern, als es die Gemeinde in ihrer Beschlussvorlage selbst tut. Deshalb für alle, die den Text vielleicht nicht kennen oder gerade nicht zur Hand haben, hier noch mal die Begründung:

3.3 Begründung

Im weiteren Verlauf des Baugenehmigungsverfahrens wurde nunmehr festgestellt, dass auch eine Überschreitung der Grundflächenzahl (GRZ) vorliegt, da die Tiefgarage nach § 19 Abs. 4 BauNVO auf die GRZ anzurechnen ist. Im genannten Bebauungsplan ist im Bereich WA7 eine GRZ von 0,4 und im Bereich WA6 eine GRZ von 0,6 festgesetzt …, diese würde durch die Anrechnung der Tiefgaragenfläche nicht unerheblich überschritten werden. Die Untere Baurechtsbehörde hat mitgeteilt, dass sie bei Einreichung des ersten Baugesuchs in einem erst rechtskräftig gewordenen Plangebiet grundsätzlich keine Befreiungen befürwortet. Vielmehr würde aus Sicht des Landratsamts der Klarheit wegen und im Hinblick auf gleichgelagerte Fälle mit Tiefgaragen eine Änderung/ Ergänzung der Bebauungsplanfestsetzungen sinnvoll erscheinen. Die Verwaltung kann die Haltung der Unteren Baurechtsbehörde gut nachvollziehen. Da aber eine Änderung bzw. Ergänzung des Bebauungsplans auch im vereinfachten Verfahren geraume Zeit dauern würde und sich das Genehmigungsverfahren ohnehin schon längere Zeit hinzieht, befürwortet die Verwaltung stattdessen einen Antrag auf Abweichung, Ausnahme und Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Verwaltung geht davon aus, dass es sich hier um einen Ausnahmefall handelt. Die Anrechnung der ursprünglich völlig unterirdisch geplanten Tiefgarage auf die GRZ wurde bei der Erarbeitung des Bebauungsplans versehentlich nicht berücksichtigt. Ansonsten hätte die Gemeinde mit Sicherheit abweichende Bestimmungen in den Bebauungsplan aufgenommen, die § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO für solche Fälle ausdrücklich vorsieht. Solche Bestimmungen hätten dann eine Befreiung erübrigt. Im Übrigen ermöglicht auch § 19 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 BauNVO eine Abweichung von der festgesetzten GRZ bei Überschreitungen mit geringfügigen Auswirkungen auf die natürlichen Funktionen des Bodens. Der Gemeinderat hat die Substratdicke auf der begrünten Tiefgarage zur besseren Wasserrückhaltung beim Satzungsbeschluss auf 15 cm erhöht, außerdem kommen dort zusätzlich Wasserretentionsboxen zum Einsatz. Die natürliche Funktion des Bodens, vor allem seine Versickerungsfähigkeit, wird dadurch nahezu ausgeglichen. Die Grundzüge der Planung sind durch die Befreiung nicht betroffen (vgl. § 31 Abs. 2 S. 1 BauGB), da eine eigentlich hier anstehende Erleichterung nach § 19 Abs. 4 Satz 4 BauNVO nur versehentlich nicht in den Bebauungsplan aufgenommen wurde.“

Ich fasse mir bei soviel Inkompetenz und ja, auch Schludrigkeit, ans Hirn. Man hat es „vergessen“, einen Passus in die Festsetzungen zum Bebauungsplan aufzunehmen. Aber nicht so eine Kleinigkeit, die nach dem Motto: naja, wir sind ja alle Menschen, einfach so mal passieren kann, sondern es geht um einen zentralen Punkt. Die GRZ von 0,4 ist das für allgemeine Wohngebiete eigentlich geltende Maximum. Diese Zahl ist durch die Kreisbaublöcke ausgeschöpft, sie holen raus, was möglich ist. Und für die so in die Gebäude hineingepressten Wohnungen müssen Stellplätze bereitgestellt werden, 1, 2 pro Wohneinheit. Damit weiß aber auch jeder Depp, wie groß die Tiefgarage sein muss. Und ich lasse mir nicht einreden, dass weder das preisgekrönte Büro Lüttin, noch die Gemeinde mit ihrer hochqualifizierten (oder doch nicht?) Bauabteilung, noch die Kreisbau bei ihrem Genehmigungsantrag bemerkt haben sollten, dass sie mit den Vorgaben des Bebauungsplans nicht auskommen, sondern die GRZ überschreiten müssen. Sollte es anders gewesen sein, dann würde das mein Restvertrauen in die Kompetenz der Genannten vollends ruinieren: Nein, so blöd ist nicht das „Ingenieurbüro“, dem die Bürgermeisterin die Schuld in die Schuhe schob, nein, so blöd ist die Kreisbau auch nicht, und, nochmal nein, so dämlich sind sie selbst auf dem Rathaus nicht. Sie wissen bisweilen, was sie tun, und hier müssten sie es gewusst haben.

Was folgt daraus? Man muss eigentlich zu dem Schluss kommen, dass es nie die Absicht war, den Bebauungsplan genau einzuhalten. Bindend mag er für Fälle sein, die wir abwimmeln wollen, aber für uns und unsere Kreisbau, da ist das nur eine grobe Richtlinie …

Manchen Gemeinderäten stieß dieses Bauerntheater auch sauer auf: Von „ärgerlich“ bis zum „Schildbürgerstreich“, „unverständlich“ bis zu „Gschmäckle“ reichten die Kommentare. Frau Stahl schlug eine – aber natürlich nicht mehrheitsfähige – Lösung vor: Die Kreisbau solle entweder Fläche dazukaufen oder ihre Klötze verkleinern, dann stimme es ja wieder. Sprachlose Ablehnung. Welch ein Ansinnen: Kreisbau und kleiner bauen, ein Anschlag auf den Kreisbaugewinn und unser aller Wohl!

Herr Messner bekannte wenigstens offen, diese Überschreitung sei „erheblich“, eine genaue Zahl für die GRZ nannte er nicht, wohl aber, sie überschreite die 0, 4 um über „30 Prozent“. Vielleicht ist sie nicht ganz so hoch, wie man es dem Tagblatt-Bericht entnehmen konnte: „nahe bei 100 Prozent“ (hier der Bericht). Es ist deshalb kein Wunder, dass die untere Baubehörde den Genehmigungsantrag der Kreisbau erstmal abgelehnt hat. Im Grundsatz empfahl sie, den Bebauungsplan zu korrigieren und dort eine entsprechende Bestimmung aufzunehmen. Das wäre auch die klarste Lösung, aber die Gemeinde will das nicht, denn das würde den ganzen Prozess noch verzögern. Sie plädiert deshalb für eine Befreiung oder Ausnahme. Ob sie damit Erfolg hat, wird man sehen.

Ein kleines Schmankerl sei noch nachgereicht, und damit Sie nicht umständlich nach oben in die „Begründung“ scrollen müssen, sei’s hier noch mal zitiert:

„Der Gemeinderat hat die Substratdicke auf der begrünten Tiefgarage zur besseren Wasserrückhaltung beim Satzungsbeschluss auf 15 cm erhöht“. So steht es da. Die 15 Zentimeter sind lächerlich und natürlich auch falsch: Es muss 50 cm heißen. Darauf ritt auch Herr Messner ununterbrochen herum: Die natürlichen Funktionen des Bodes seien nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt. Der Gemeindeverwaltung ist dieser Fauxpas natürlich nicht aufgefallen, wie Frau Halm treuherzig konstatierte („Des hämma älle net gmerkt“). Auch wieder ein Versehen, kann ja im Zustand der permanenten Überarbeitung auch mal passieren. Oder ist es anders herum? Muss man sich Sorgen machen?

Na jedenfalls, die natürliche Bodenfunktion ist nach Messner, der es ja wissen muss, angeblich nicht beeinträchtigt. Zieht man von den 50 Zentimetern jedoch noch mal 9-11 cm (Minimum) ab, die von den (flächendeckend verlegten) Retentionsboxen in Anspruch genommen werden, dann hat man ein verfügbares Boden- und Verwurzelungspotential von max. 40 Zentimetern. Da weiß aber jeder Möchtegerngärtner, dass man da allenfalls Berberitzen pflanzen kann, aber gewiss nicht das, was auf einem Naturboden möglich wäre. Und deshalb: Ich bezweifle sehr stark, dass Messner als Jurist überhaupt kompetent ist, um über natürliche Bodenfunktionen mit Aussicht auf Erfolg zu philosophieren. Ich jedenfalls hätte da lieber eine kompetente Quelle.

Bleibt zum Schluss: Der TA hat den Antrag der Gemeinde bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung ergeben abgenickt. Wie man erwarten durfte.

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